Das Licht im Dunkeln
Von Malina Andronescu
Gläubig oder nicht gläubig...Tatsache ist, daß es Begebenheiten im Leben gibt, die erkennenlassen, daß „der da oben“ die Geschicke lenkt. Von einem solchen Fall möchte ich Ihnen heute berichten. Es ist die Geschichte von dem 19jährigen Roman aus Königsberg, der total erblindet wäre, wenn es nicht zu einer folgenschweren Begegnung zwischen dem deutschen Arzt Heinrich-Peter Hummelsiep aus Berlin und Diana Oblakowa, der Tantevon Roman, gekommen wäre.
Die russischen Ärzte hatten Roman aufgegeben
Während einer Reise, die Dr.Hummelsiep - ein langjähriger Freund der Deutschen Konservativen im vergangenen Jahr nach Königsberg unternahm, erzählte ihm die Reiseleiterin von ihrem Neffen Roman Kuschen der mit 18 Jahren davon bedroht war, völlig zu erblinden. Bei Roman wurden schon mit 3Jahren eine schwere Myopie (Myopie magna) und kongenitale (angeborene) Katarakte auf beiden Augen festgestellt. 2003 wurde er zum ersten Mal operiert – ohne Erfolg. Es folgten zahlreiche Untersuchungen und über 10 weitere Operationen: in Königsberg, in St. Petersburg, in Baschkirien, in Moskau. Auch die „besten“ Ärzte in Russland erwiesen sich als unfähig, Roman zu helfen. Keiner forschte nach den Gründen für die chronische Augenentzündung die Roman plagte. Sein Zustand verschlechterte sichvon Monat zu Monat. „Die Ärzte zucken nur noch mit den Schultern und geben uns zu verstehen, dass es für den Jungen keine Hoffnung mehr gibt und dass er sein Augenlicht verlieren wird“, erzählte Diana Oblakowa.
Als Dr. Hummelsiep Roman zum ersten Mal trifft, ist er auf dem rechten Auge schon fast blind, das Auge ist entzündet und sieht schrecklich aus. Auf dem linken Auge hat er eine Myopie von minus 20 Dioptrien und trägt eine Kontaktlinse. Die Katarakt („Grauer Star“) war nicht operiert worden, da die Ärzte meinten, dies sei zu gefährlich. Noch schlimmer als sein physischer ist jedoch Romans seelischer Zustand: Während sich Gleichaltrige auf Parties tummeln oder auf Facebook mit „Freunden“ austauschen, hat Roman jede Hoffnung und jede Lebenslust verloren. Er denkt, er sei entstellt, guckt nur noch auf den Boden, verzweifelt an Gott und der Welt. Ganz oft denkt er sogar an Selbstmord „Es ist leicht, über diese Krankheit zu sprechen, wenn man sie nicht hat, aber es ist sehr schwer, damit umzugehen, wenn man sie hat“, sagt er später.
Durch den Besuch von Dr. Hummelsiep schöpft jedoch die Familie neue Hoffnung. Romans Eltern, Elena und Oleg, flehen den deutschen Arzt an: „Bitte helft uns, lasst Roman nicht blind werden! Vielleicht können die Ärzte in Deutschland ihm helfen!“ Auch Romans kleiner Bruder Nikita (5) tut das Seine, um den neuen Freund zu überzeugen: Er singt Dr.Hummelsiep das deutsche Lied „Kuckuck, Kuckuck – ruft`s aus dem Wald“ vor. Das Lied hat er von seiner Oma gelernt, die Deutschlehrerin ist.
Roman hat seinen Lebensmut wieder gefunden
„Als ich den Hilferuf der Familie von Roman hörte, habe ich, mitten in Ostpreußen, gleich an Herrn Siegerist gedacht“, erzählt Dr. Hummelsiep. In der Tat: Kurz darauf wird über „Aktion Reiskorn“ eine Spendenaktion für Romangestartet, um eine Reise nach Deutschland, eine ärztliche Untersuchung und eventuell eine Operation zu finanzieren. Im Oktober 2012 ist es dann soweit: begleitet von seiner 22jährigen Cousine Alla, die sehr gut Deutsch spricht, kommt Roman nach Berlin. In der Augenklinik der Charité wird er – zum ersten Mal in seinem Leben!- einer sehr, sehr sorgfältigen Untersuchung unterzogen. Die Ärzte entscheiden sich einstweilen gegen eine Operation. Romans rechtes Auge ist nicht mehr zu retten, er bekommt jedoch eine kosmetische Linse, was für seine Selbstwahrnehmung und sein Selbstwertgefühl sehr wichtig ist. Für die Erhaltung des linken Auges werden Medikamente und Tropfen verschrieben, die er nun jahrelang einnehmen muß.
Noch wichtiger ist die Tatsache, dass Roman und seine Familie nun wissen, dass es Menschen gibt, Die bereit sind zu helfen. „Wir waren überrascht, dass unbekannte Leute unsere Probleme mit Mitleid anerkannt haben. Dank Ihrer Herzlichkeit und Hilfsbereitschaft haben Sie uns eine kleine Hoffnung zum Überstehen unserer Schwierigkeiten geschenkt“, schreibt Romans Tante in einem Dankesbrief. Und Roman selbst hat neuen Lebensmut gefunden: Er denkt nicht mehr an Selbstmord, sondern an seine Zukunft. Er will eine Ausbildung machen, obwohl er weiß, dass das nicht leicht für ihn sein wird.
Um ihn weiter aufzumuntern, wurde Roman drei Monate später noch einmal nach Berlin eingeladen: Diesmal sollte er die deutsche Hauptstadt als Tourist und nicht als „Patient“ erleben. Ende Januar verbrachte Roman drei Tage in Berlin, und zwar nicht in einer Klinik, sondern am Brandenburger Tor, am Checkpoint Charlie, zum Abendessen bei Familie Hummelsiep. Einen ganzen Nachmittag verbrachten Roman und seine Cousine Alla – die ihn auch diesmal begleitete und sich liebevoll um ihn kümmerte – im Berliner Zoo, den sie schon immer besuchen wollten. Sie freuten sich wie Kinder über alles, was sie erlebten. Begeistert und glücklich kehrten sie dann nach Königsberg zurück.
Die Freunde in Deutschlandhaben Roman vor dem Erblinden gerettet
Roman ist bei weitem noch nicht über dem Berg. Auf dem rechten Auge wird er wohl immer blind bleiben. (Hätten die Ärzte in Russland nicht „gepfuscht“, und wäre er schon früher anständig behandelt worden, wäre es vermutlich nicht so weit gekommen!). Wichtig ist jetzt, dass die Sehkraft auf dem linken Auge erhalten bleibt. Dafür wird er noch jahrelang teure Medikamente brauchen, womöglich muss er irgend wann auch operiert werden. Dank der Hilfsbereitschaft und Unterstützung der deutschen Freunde und Förderer von „Aktion Reiskorn“ ist es jedoch gelungen, den Jungen aus Königsberg vor dem Erblinden zu retten.
Der Besuch in Berlin wird für Roman auf jeden Fall ein großes Erlebnis für sein ganzes Leben bleiben. „Der Besuch in Deutschland ist für Roman ein Impuls für seine Verbesserung, für sein künftiges Leben gewesen“, schreibts eine Tante Diana in einem weiteren Brief. „Er beginnt langsam zu glauben, dass er ein gutes Schicksal haben wird. Wir haben bei ihm noch nie eine solche Begeisterung wie jetzt, nach dem Besuch in Berlin, gesehen.“